Im Bund Freier evangelischer Gemeinden besteht ein Dissens in Bezug auf die theologisch-ethische Bewertung von Homosexualität und den Umgang mit Menschen, die ihre Homosexualität in Partnerschaften leben. Der Dissens betrifft biblische, hermeneutische, anthropologische, theologische, ethische und praktische Fragen. Auf dem Bundestag 2022 in Solingen wurde deutlich, dass wir einen gemeinsamen Weg zurücklegen möchten, um Leitlinien für diese konkrete Frage zu erarbeiten:
„Wie können wir als Bund selbstständiger Ortsgemeinden in Einheit und Vielfalt mit Homosexualität umgehen?“
Um gemeinsam und gemeinsame Antworten zu finden und Leitlinien zu formulieren, werden in dieser Gesprächsvorlage vier Aspekte bedacht: 1. Wir befragen die Bibel. 2. Wir nehmen gesellschaftliche und humanwissenschaftliche Entwicklungen und Erkenntnisse wahr. 3. Wir befassen uns mit unserem Glaubensverständnis und 4. Wir befassen uns mit unserem Bundesverständnis.[1]
Diese vier Themenfelder, die für unsere Frage von Bedeutung sind, sollen helfen, strukturiert zu diskutieren und dienen als Ausgangspunkt einer gemeinsamen Meinungsbildung. Inhaltlich schließen sie an die wegweisenden Empfehlungen der Erweiterten Bundesleitung an [Gotteswort im Menschenwort (2018) | Mit Spannungen umgehen (2019) | Das Evangelium Gottes von Jesus Christus (2020)] und gehen von ihnen aus, zum Beispiel:
Die Orientierungshilfe der Erweiterten Bundesleitung „Mit Spannungen umgehen“ von 2019 beschreibt die lebenslange Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Verlässlichkeit, wechselseitige Anerkennung, Liebe und einen öffentlich-rechtlichen Akt gegründet ist, als biblisches und ethisches Leitbild für Geschlechtsgemeinschaft und Sexualität (vgl. Mit Spannungen umgehen, S. 12, These 15). In Verbindung mit diesem Leitbild der Ehe und Familie werden auch andere Lebensformen wie das Single-Sein und die Ein-Eltern-Familie wertgeschätzt, denen Gottes Segen gilt und die von der Gemeinde wahrzunehmen, zu würdigen und zu unterstützen sind.
Es wird außerdem festgehalten, dass homosexuelle Partnerschaften mit dem biblisch-theologischen Leitbild der heterosexuellen Ehe nicht vereinbar sind. Daher besteht für Menschen, die aufgrund ihrer Lebensgeschichte und Selbstwahrnehmung zu dem Ergebnis kommen, dass sie ihre homosexuelle Veranlagung und Prägung annehmen, „die Herausforderung darin, aufgrund des biblischen und ethischen Leitbildes auf die Praktizierung dieser Prägung zu verzichten und sexuell enthaltsam zu leben“ (S. 12, Nr. 18). Gleichzeitig wird aber unterschieden zwischen Menschen, die sich mit ihrer homosexuellen Veranlagung und Prägung identifizieren und anderen, die unter ihr leiden und auf Veränderung hoffen; zwischen Menschen, die ihre homosexuelle Veranlagung und Prägung im Verborgenen leben, und anderen, die sich bewusst „outen“; oder zwischen Menschen, die eine verbindliche homosexuelle Partnerschaft leben wollen, und anderen, die den häufigen Partnerinnen- und Partnerwechsel suchen.
„Mit Spannungen umgehen“ versteht sich als wegweisende Empfehlung für den Bund FeG und betont deswegen auch die Verantwortung der Ortsgemeinde (vgl. Vorwort, S. 2). Damit ist eine Spannung angedeutet, die in der Präambel des Bundes Freier evangelischer Gemeinden festgehalten wird: „Der Bund Freier evangelischer Gemeinden ist eine geistliche Lebens- und Dienstgemeinschaft selbstständiger Ortsgemeinden.“ (Präambel, 1)
[1] Die folgenden Ausführungen zu den vier beschriebenen Schritten bilden lediglich Eckpunkte zur zentralen Fragestellung und beanspruchen nicht, eine vollständige Bearbeitung der jeweiligen Thematik darzustellen. Daher wird weitgehend auf Fußnoten und ausführliche Literaturhinweise verzichtet. Es geht darum, anhand der Eckpunkte einen geordneten und sachbezogenen Gesprächsprozess zu ermöglichen.